Im weißen Rössl
„Furioser Aufgalopp: Singspiel „Im weißen Rössl“ entfacht Begeisterungsstürme in der Waggonhalle. (…) Die 47. Waggonhalle-Produktion geht gewiss als Geniestreich des künstlerischen Teams um Matze Schmidt in die Geschichte des überregional beliebten Kulturzentrums ein.“
(Oberhessische Presse, 09.08.25)
Wer sich einen Abend lang bestens unterhalten, herzhaft lachen und musikalisch verwöhnen lassen will, sollte sich diesen Abstecher ins marburgische Salzkammergut nicht entgehen lassen. Wie eingangs bereits erwähnt erlebt man hier mit allen Sinnen einen Theaterurlaub am Wolfgangsee – voller Humor, Herz und eingängiger Melodien. Ganz klare Empfehlung!
(time4theatre, 14.08.25)
Am 16.08. ist die Gaststätte Rotkehlchen geschlossen. Getränke und Snacks bekommen Sie aus unserem Wagen vor dem Eingang.
Fassung „Bar jeder Vernunft“
Singspiel in drei Akten
frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg von Hans Müller und Erik Charell
Gesangstexte von Robert Gilbert
Musik von Ralph Benatzky
Sechs musikalische Einlagen von Robert Gilbert, Bruno Granichstaedten und Robert Stolz
Aufführungsrechte bei Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin | http://www.felix-bloch-erben.de
Im Gasthof Zum weißen Rössl am Wolfgangsee geht es drunter und drüber: Oberkellner Leopold schmachtet seine Chefin Josepha an, doch die hat nur Augen für den charmanten Dr. Siedler. Währenddessen geraten Gäste, Liebespaare und ein streitlustiger Fabrikant in ein heilloses Chaos voller Missverständnisse, Intrigen und jeder Menge Herzklopfen. Am Ende löst sich das Durcheinander auf – und alle finden ihr Happy End, inklusive einer ordentlichen Portion Alpenromantik und Augenzwinkern.
Die Waggonhalle präsentiert „Im weißen Rössl“ in der „Berliner Fassung“, die als satirische Selbstparodie des Genres gilt. Klar minimalistischer als die klassische Operette ist auch die Inszenierung der Waggonhalle, aber mutig, denn mit Kitsch und Romantik wird mitnichten gegeizt. Aber was ist schon Kitsch und wo fängt Trash an?
Und überhaupt: „Was kann der Sigismund dafür, dass er …“ – Sie wissen schon!
Fotos: Hasret Sahin
Produktionsleitung | SCHAUERMANN Patrick |
Produktionsleitung | NIEHAUS Helga |
Musikal. Leitung / Korrep. | SCHAUERMANN Patrick |
Regie | SCHMIDT Matze |
Bühnenbild / Set Designer | VOGT Daniela |
Regieassistenz | THEIS Denise |
Choreografie | ECKHARDT Maik |
Technische Leitung / Lightdesign | ZEITZ Jonathan |
Technische Leitung / Sounddesign | HORN Nicolas |
Kostümbild | ADAM Finn / SOBEL Vanessa |
Dresserin / Schneiderin | HOFMANN Paula Katharina |
Maske | VENDITTI Karolina |
Dancecaptain | LINDEMANN Helena / KÖHLER Kirsten |
Josepha Voglhuber | KIRELL Lilli |
Ottilie | HADZIK Felicitas / ILLENSEER Evelin |
Klärchen / Fr. Weghalter | VARYCHEVA Julia / WETZLAR Antonia-Luise |
Leopold Brandmayer | PFEFFER Timo |
Piccolo | GRENZ Sonja / PARISE Lisa |
Wilhelm Giesecke | BAYER Thomas |
Dr. Otto Siedler | PLATZ Patrick |
Sigismund Sülzheimer | ATZINGER Jo / ECKHARDT Maik |
Hinzelmann / Kaiser | LANGE Uwe / SETZER Mathias |
Ensemble | GRUNWALD Emily / KÖHLER Kirsten / LANGE Luna / LINDEMANN Helena / OCHSNER Bianca |
Oberhessische Presse 09.08.2025
Herz, Schmerz, Himmelblau
Furioser Aufgalopp: Singspiel „Im weißen Rössl“ entfacht Begeisterungsstürme in der Waggonhalle
Von Sabine Jackl
Was für ein Auftritt! Nach Hahnenschrei und Juhitzer jetzt er: Zahlkellner Leopold im Frack. Was für eine Erscheinung! Hier, im Biergarten vom Rössl“, gibt der Leopold den Ton an. Was für eine Stimme! Sie gehört Timo Pfeffer, dessen voluminöse Ouvertüre die Qualitätsmarke setzt für einen extrem mitreißenden Singspiel-Abend in der Waggonhalle.
Das Premierenpublikum ist am Mittwoch sofort angefixt und des Kellners Botschaft klar: „Aber meine Heeerrschaften …“, des wird a sensationelle Geschlechter- und generationenübergreifend noch dazu. Selbstverständlich ist das nicht. Vor 95 Jahren als opulentes Singspiel von Ralph Benatzky uraufgeführt, kam es in vielen, zwischen Operette und Revue changierenden Varianten auf Bühnen und Leinwand.
Dümpeln am Katzentisch
Der veränderte Zeitgeist erforderte längeres Dümpeln am theatralischen Katzentisch, doch sprang das „Rössl“ wie ein fröhliches Fohlen zurück ins Leben, nachdem 1994 Stars der Berliner „Bar jeder Vernunft“ den Mix aus Alpenkitsch, Wiener Schmäh und Berliner Schnauze anarchisiert hatten.
Dieses abgespeckte „Rössl“ und seine parodistischen Kapriolen fanden Waggonhalle-Intendant und Regisseur Matze Schmidt und das Leitungsteam Niehaus und Patrick Schauermann unwiderstehlich, sodass jetzt kein Weg mehr am ikonischen Hotel vorbei, sondern nur noch einer direkt hinein Zunächst zum Leopold und den sommerfrischelnden Plagegeistern, die ihn an der Verwirklichung seines Traums hindern. Er wäre lieber Herzenskavalier statt Ober.
Alle Anschmacht-Offensiven enden vor der seidenen Dirndlschürze der Angehimmelten, die ausgerechnet seine Chefin Josepha Voglhuber wird leidenschaftlich verkörpert von Sopranistin Lilli Kirell und führt ein resolutes Regiment.
Stammgast Siedler kommt
Es sei denn, es ist „der Sommer der Saison“ und Stammgast Siedler kommt. Beim Herrn Doktor Rechtsanwalt wird die Rösslwirtin butterbreznweich wenn er sie erhörte. Hang zur Romantik hat er, Patrick Platz gibt ihn geschmeidig mit wohltemperierter Stimme. Sein Herz schlägt für Ottilie. Als Fabrikantentochter mit grantelndem Papa dem Seedampfer entstiegen, sind die feinnervige Evelin Illenseer und der großartige, berlinisch um sich beißende Vollblut-Piefke Thomas Bayer ein herrlich schräges Duo.
Da passt nur ein schöner Sigismund dazwischen. Der ist anderweitig interessiert, und Jo Atzinger als fescher Hipster in kornblumenblauer Krachlederner kann bekanntlich nix dafür. Verantwortung tragen Vanessa Sobel und Finn Adam – für die schönen Kostüme. Turbulente Herzschmerz-Verwicklungen nehmen ihren Lauf.
Verpeilter Kaiser
Seine Majestät, der verpeilte Kaiser, mischt auch mit. Uwe Lange glänzt mit triefäugiger Einsilbigkeit. Umso maßgeblicher agiert das Fräulein Weghalter.
Antonia-Luise Wetzlar verkündet ihr Wissen mit durchdringender Stimme und dem gewissen Etwas, das sie auch als süß lispelndes Klärchen bravourös auszuspielen weiß. Unermüdlich unterwegs ist Hotelhelfer Piccolo. Zur allgemeinen Erquickung schleppt Sonja Grenz schwere Koffer und macht müht. Platz ist reichlich. Das von Daniela Vogt ins kleinste Plastikpaprikahuhn-Detail aufwendig eingerichtete Bühnenbild zieht sich rotglühend und sonnengelb (Technik: Nicolas Horn, Jonathan Zeitz) quer durch den Saal. Gerahmt von Bergseepanorama, Hotelbalkon und Biergartengarnitur liegen sich zwei Zuschauertribünen gegenüber. Die Spielfläche bietet Bewegungsfreiheit für das lebhafte Ensemble und die von Maik Eckhardt spritzig choreografierten Tänzerinnen. In rekordverdächtiger Umkleidegeschwindigkeit sind sie coole Touristinnen, flirtende Strandnixen, verzickte Lästermäuler.
Das Publikum genießt optimale Sicht und Akustik. Letztere hat Patrick Schauermann im Griff, er dirigiert vom Hochsitz aus. Auf Nimmerkommraus pflanzt das exzellente Orchester die berühmten Walzer- und Schrammelmelodien mittels Violine, Bratsche, Cello, Bass und Drums in den Gehörgang. Evergreens wie „Im Salzkammergut …“ und „Was kann der Sigismund dafür …“ oder „Die ganze Welt ist himmelblau“ sind halt eine Welt für sich.
Ganz gleich, wer hier was mit wem macht, es erträumt oder vermasselt, der Aufenthalt „Im weißen Rössl“ ist keine Sekunde langweilig, und obendrein gibt’s ein pfeffriges Priserl Tiefgang. Warum sonst hätte das Ross auf dem Plakat eine Taucherbrille auf? Was für ein Premierenabend! Das Publikum es von den Sitzen.
Euphorisches Publikum
Nach drei Akten in knapp drei Stunden (mit halbstündiger Pause) applaudieren, rufen und pfeifen sich alle die euphorisierte Seele aus dem Leib, während die Mitwirkenden stilecht zum Defiliermarsch herausspazieren.
Die 47. Waggonhalle-Produktion geht gewiss als Geniestreich des künstlerischen Teams um Matze Schmidt in die Geschichte des überregional beliebten Kulturzentrums ein.
time4theatre, 14.08.2025
Es gibt Abende, die fühlen sich wie eine spontane Auszeit an – und die Inszenierung von „Im weißen Rössl“ in Marburg, in der Version der Berliner „Bar jeder Vernunft“, gehört definitiv dazu. Mit sprühendem Humor, gehöriger Spielfreude und einer ordentlichen Portion musikalischem Ohrwurmpotenzial entführte das Ensemble das Publikum direkt an den legendären Wolfgangsee.
Wer sich nach einem Kurzurlaub sehnt sollte sich diese Show nicht entgehen lassen.
Im „Weißen Rössl“ am Wolfgangsee versucht die resolute Wirtin Josepha Voglhuber (Lilli Kirell) ihren Betrieb im Griff zu behalten, während um sie herum die Herzen Purzelbäume schlagen: Kellner Leopold (Timo Pfeffer) ist unsterblich in sie verliebt, sie selbst schwärmt für den eleganten Rechtsanwalt Dr. Otto Siedler (Patrick Platz). Dieser wiederum hat ein Auge auf Ottilie (Evelin Illenseer) geworfen, die Tochter des brummigen Berliner Fabrikanten Wilhelm Giesecke (Thomas Bayer) – der wiederum Dr. Siedler auf geschäftlicher Ebene gar nicht leiden kann.
Zwischen charmanten Intrigen, amourösen Verwicklungen, dem skurrilen Sigismund Sülzheimer (Maik Eckhardt), einem kaiserlichen Überraschungsgast (Uwe Lange) und einer Schar quirliger Nebenfiguren entfaltet sich ein musikalischer Reigen voller Witz und Ironie.
Die Melodien von Ralph Benatzky und den Co-Komponisten sind und bleiben unwiderstehlich: „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“ oder „Es muss was Wunderbares sein“ verlassen einen auch nach dem Schlussapplaus nicht mehr – quasi „Ohrwurm to go“. So trifft man nach Showende auch den/die eine*n oder andere*n Zuschauer*in singend oder summend an. Die musikalische Umsetzung in Marburg trifft dabei genau den süffigen Ton zwischen augenzwinkerndem Kitsch und mitreißendem Schwung. Glücklicherweise nicht vom Band, sondern live gespielt von einem kleinen aber technisch sehr starken Orchester. Lilli Kirell verleiht Josepha genau die richtige Mischung aus schlagfertigem Charme, Herzlichkeit und leiser Sehnsucht – stimmgewaltig, souverän und mit großem komödiantischem Timing.
Timo Pfeffer als Leopold ist ein quirliger Wirbelwind: charmant, komisch und voller ungestümer Energie, der mit nuanciertem Spiel ebenso punktet wie mit starker Gesangsdarbietung. – einfach ein Herzbube mit Serviertablett.
Evelin Illenseer spielt Ottilie mit eleganter Zurückhaltung und glasklarer Stimme – ein wohltuender Ruhepol zwischen all dem bunten Treiben.
Patrick Platz gibt Dr. Siedler die smarte Gelassenheit eines Mannes, der weiß, was (und wen) er will.
Thomas Bayer als Wilhelm Giesecke bringt mit Berliner Schnauze und brummiger Direktheit den Saal zum Lachen.
Maik Eckhardt zeigt in der Rolle des Sigismund Sülzheimer eine wunderbar schräge, aber liebenswerte Figur – herrlich überdreht, ohne ins Groteske zu kippen.
Julia Varycheva überzeugt in Doppelrolle als kecke Klärchen und resolute Frau Weghalter mit starker Bühnenpräsenz.
Sonja Grenz als quirliger Piccolo ist der Funken, der jede Szene zum Leuchten bringt.
Uwe Lange sorgt als Professor Hinzelmann und später als Kaiser für pointierte Auftritte, die sicher lange in Erinnerung bleiben.
Das Ensemble (Luna Lange, Helena Lindemann, Bianca Ochsner, Kirsten Köhler) fügt sich spielfreudig und stimmkräftig ins Geschehen ein, verstärkt die Massenszenen und bringt viel Bewegung auf die Bühne. Regisseur Matze Schmitz setzt auf Tempo, präzise Pointen und ein stimmiges Bühnenbild, das den Charme der „Bar jeder Vernunft“-Version auf die Marburger Bühne überträgt. Die Inszenierung balanciert gekonnt zwischen liebevoller Parodie und ehrlicher Hommage.
Neben seiner darstellerischen Leistung prägt Maik Eckhardt die Produktion maßgeblich als Choreograf. Die von ihm entwickelten Choreografien sind weit mehr als schmückendes Beiwerk: Sie erzählen Geschichten, unterstreichen Stimmungen und treiben das Geschehen voran. Mal fließen sie verspielt in die Dialoge ein, mal bringen sie die Bühne mit schwungvollen Ensembleszenen regelrecht zum Beben. Seine Arbeit verbindet tänzerische Präzision mit einer Leichtigkeit, die perfekt zu dieser Show passt. Hier zeigt dann auch wieder das beeindruckende Ensemble sein gesamtes Potenzial und verzaubert das Publikum mit den eindrucksvollen und anspruchsvollen Tanznummern.
Auch das Bühnenbild greift die Atmosphäre des Wolfgangsees und des traditionsreichen „Weißen Rössl“ liebevoll auf: warme Farbtöne, verspielte Details und eine Ausstattung, die zwischen gemütlicher Wirtshausstube und Postkartenidylle wechselt. Besonders bemerkenswert sind die Szenenwechsel – statt längerer Umbaupausen werden die Kulissenveränderungen vom Ensemble selbst übernommen. Diese Umbauten sind nicht nur funktional, sondern fügen sich wie kleine, tänzerische Zwischenspiele nahtlos in die Handlung ein. Jeder Handgriff, jede Bewegung ist präzise choreografiert, sodass auch diese Momente den Rhythmus und Schwung der Inszenierung weitertragen.
Wer sich einen Abend lang bestens unterhalten, herzhaft lachen und musikalisch verwöhnen lassen will, sollte sich diesen Abstecher ins marburgische Salzkammergut nicht entgehen lassen. Wie eingangs bereits erwähnt erlebt man hier mit allen Sinnen einen Theaterurlaub am Wolfgangsee – voller Humor, Herz und eingängiger Melodien. Ganz klare Empfehlung!