Frank Wedekind: LULU „Er liebt mich. Er kennt mich nicht, aber er liebt mich.“
Lulu, ein Straßenmädchen, das vor einem Café Blumen verkauft, wird von Dr. Schön in den eigenen Haushalt aufgenommen. Als er feststellt, daß sie sich ineinander zu verlieben beginnen, verheiratet er sie in den obersten Kreisen der Gesellschaft.
Ein unglücklicher Zufall kostet Lulus ersten Ehemann das Leben; der zweite begeht Selbstmord, als er erkennt, daß sie ihn mit seinem Freund betrügt. Um endlich an das Ziel ihrer Wünsche zu gelangen, zwingt Lulu ihren Ziehvater, seine eigene Verlobung zu lösen und sie schlußendlich doch zu heiraten. Die Ehe aber währt nicht lange: Ein Mißverständnis – eine scheinbare Liaison mit ihrem Ziehbruder – und ein weiterer unglücklicher Zufall führen dazu, daß sie ihn im Streit erschießt.
Als sie nach eineinhalb Jahren Gefängnis durch eine List der ihr sehr zugetanen Gräfin von Geschwitz wieder in Freiheit ist, bleibt ihr nichts anderes, als das Land zu verlassen. Zusammen mit ihrem Ziehbruder Alwa, nun ihr Liebhaber, dem Kunstturner Rodrigo, der ihr schon länger nachstellt, und der Gräfin versteckt sie sich in Paris vor der Polizei. Als man ihr dort auf die Spur kommt, flieht sie nach London.
Um irgendwie an Geld zu gelangen, versucht sie in einer Dachwohnung ihr Glück als Prostituierte. Was kurzzeitig aber das bloße Überleben sichert, wird ihr gleich darauf zum Verhängnis: Lulus letzter Freier bringt sie auf bestialische Weise um.
Ende des 19. Jahrhunderts schrieb Wedekind sein Skandaldrama LULU über die Frau als Projektionsfläche männlicher und gesellschaftlicher Ansprüche – und schuf damit einen zeitlosen Text. Lulu ist das Paradebeispiel einer selbstbewußten Frau, die allen sozialmoralischen Zwängen zu entkommen und ihre eigene (sexuelle) Selbstbestimmtheit zu wahren versucht.
„Ich bin ihm nichts als Weib und wieder Weib. Ich fühle mich so blamiert.“
Eigene Identität und persönliche Bedürfnisse stehen dabei dem gesellschaftlichen Rollenbild und der Anspruchshaltung eines vertraglichen Liebespartners weit entgegen. Mißverständnisse und gegenseitige Fehlgriffe bestimmen die gemeinsame Beziehung – und es bleibt zu fragen: Ist die von Wedekind gezeigte Spirale hinab ins Bodenlose eine unvermeidliche? An welcher Stelle hätte das Drama um Lulu einen glücklichen Ausgang nehmen können? Und auf welchem schmalen Grad sozialmoralischen Miteinanders bewegen wir uns (noch) heute?
Produktion: Ensemble noctenytor
Regie und Gesamtleitung: Anna-Sophie Sattler
Besetzung: Anja Becker, Eric Lenke, Willi Forwick, Marcel Zauner-Wieczorek, Anna-Sophie Sattler
Technik: Alice Nieduzak
Fotographie: Carola Holler
Musik: Tommy Steinkopff, Mike Marklove