Im weißen Rössl
„Furioser Aufgalopp: Singspiel „Im weißen Rössl“ entfacht Begeisterungsstürme in der Waggonhalle. (…) Die 47. Waggonhalle-Produktion geht gewiss als Geniestreich des künstlerischen Teams um Matze Schmidt in die Geschichte des überregional beliebten Kulturzentrums ein.“
(Oberhessische Presse, 09.08.25)
Am 16.08. ist die Gaststätte Rotkehlchen geschlossen. Getränke und Snacks bekommen Sie aus unserem Wagen vor dem Eingang.
Fassung „Bar jeder Vernunft“
Singspiel in drei Akten
frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg von Hans Müller und Erik Charell
Gesangstexte von Robert Gilbert
Musik von Ralph Benatzky
Sechs musikalische Einlagen von Robert Gilbert, Bruno Granichstaedten und Robert Stolz
Aufführungsrechte bei Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin | http://www.felix-bloch-erben.de
Im Gasthof Zum weißen Rössl am Wolfgangsee geht es drunter und drüber: Oberkellner Leopold schmachtet seine Chefin Josepha an, doch die hat nur Augen für den charmanten Dr. Siedler. Währenddessen geraten Gäste, Liebespaare und ein streitlustiger Fabrikant in ein heilloses Chaos voller Missverständnisse, Intrigen und jeder Menge Herzklopfen. Am Ende löst sich das Durcheinander auf – und alle finden ihr Happy End, inklusive einer ordentlichen Portion Alpenromantik und Augenzwinkern.
Die Waggonhalle präsentiert „Im weißen Rössl“ in der „Berliner Fassung“, die als satirische Selbstparodie des Genres gilt. Klar minimalistischer als die klassische Operette ist auch die Inszenierung der Waggonhalle, aber mutig, denn mit Kitsch und Romantik wird mitnichten gegeizt. Aber was ist schon Kitsch und wo fängt Trash an?
Und überhaupt: „Was kann der Sigismund dafür, dass er …“ – Sie wissen schon!
Fotos: Hasret Sahin
Produktionsleitung | SCHAUERMANN Patrick |
Produktionsleitung | NIEHAUS Helga |
Musikal. Leitung / Korrep. | SCHAUERMANN Patrick |
Regie | SCHMIDT Matze |
Bühnenbild / Set Designer | VOGT Daniela |
Regieassistenz | THEIS Denise |
Choreografie | ECKHARDT Maik |
Technische Leitung / Lightdesign | ZEITZ Jonathan |
Technische Leitung / Sounddesign | HORN Nicolas |
Kostümbild | ADAM Finn / SOBEL Vanessa |
Dresserin / Schneiderin | HOFMANN Paula Katharina |
Maske | VENDITTI Karolina |
Dancecaptain | LINDEMANN Helena / KÖHLER Kirsten |
Josepha Voglhuber | KIRELL Lilli |
Ottilie | HADZIK Felicitas / ILLENSEER Evelin |
Klärchen / Fr. Weghalter | VARYCHEVA Julia / WETZLAR Antonia-Luise |
Leopold Brandmayer | PFEFFER Timo |
Piccolo | GRENZ Sonja / PARISE Lisa |
Wilhelm Giesecke | BAYER Thomas |
Dr. Otto Siedler | PLATZ Patrick |
Sigismund Sülzheimer | ATZINGER Jo / ECKHARDT Maik |
Hinzelmann / Kaiser | LANGE Uwe / SETZER Mathias |
Ensemble | GRUNWALD Emily / KÖHLER Kirsten / LANGE Luna / LINDEMANN Helena / OCHSNER Bianca |
Oberhessische Presse 09.08.205
Herz, Schmerz, Himmelblau
Furioser Aufgalopp: Singspiel „Im weißen Rössl“ entfacht Begeisterungsstürme in der Waggonhalle
Von Sabine Jackl
Was für ein Auftritt! Nach Hahnenschrei und Juhitzer jetzt er: Zahlkellner Leopold im Frack. Was für eine Erscheinung! Hier, im Biergarten vom Rössl“, gibt der Leopold den Ton an. Was für eine Stimme! Sie gehört Timo Pfeffer, dessen voluminöse Ouvertüre die Qualitätsmarke setzt für einen extrem mitreißenden Singspiel-Abend in der Waggonhalle.
Das Premierenpublikum ist am Mittwoch sofort angefixt und des Kellners Botschaft klar: „Aber meine Heeerrschaften …“, des wird a sensationelle Geschlechter- und generationenübergreifend noch dazu. Selbstverständlich ist das nicht. Vor 95 Jahren als opulentes Singspiel von Ralph Benatzky uraufgeführt, kam es in vielen, zwischen Operette und Revue changierenden Varianten auf Bühnen und Leinwand.
Dümpeln am Katzentisch
Der veränderte Zeitgeist erforderte längeres Dümpeln am theatralischen Katzentisch, doch sprang das „Rössl“ wie ein fröhliches Fohlen zurück ins Leben, nachdem 1994 Stars der Berliner „Bar jeder Vernunft“ den Mix aus Alpenkitsch, Wiener Schmäh und Berliner Schnauze anarchisiert hatten.
Dieses abgespeckte „Rössl“ und seine parodistischen Kapriolen fanden Waggonhalle-Intendant und Regisseur Matze Schmidt und das Leitungsteam Niehaus und Patrick Schauermann unwiderstehlich, sodass jetzt kein Weg mehr am ikonischen Hotel vorbei, sondern nur noch einer direkt hinein Zunächst zum Leopold und den sommerfrischelnden Plagegeistern, die ihn an der Verwirklichung seines Traums hindern. Er wäre lieber Herzenskavalier statt Ober.
Alle Anschmacht-Offensiven enden vor der seidenen Dirndlschürze der Angehimmelten, die ausgerechnet seine Chefin Josepha Voglhuber wird leidenschaftlich verkörpert von Sopranistin Lilli Kirell und führt ein resolutes Regiment.
Stammgast Siedler kommt
Es sei denn, es ist „der Sommer der Saison“ und Stammgast Siedler kommt. Beim Herrn Doktor Rechtsanwalt wird die Rösslwirtin butterbreznweich wenn er sie erhörte. Hang zur Romantik hat er, Patrick Platz gibt ihn geschmeidig mit wohltemperierter Stimme. Sein Herz schlägt für Ottilie. Als Fabrikantentochter mit grantelndem Papa dem Seedampfer entstiegen, sind die feinnervige Evelin Illenseer und der großartige, berlinisch um sich beißende Vollblut-Piefke Thomas Bayer ein herrlich schräges Duo.
Da passt nur ein schöner Sigismund dazwischen. Der ist anderweitig interessiert, und Jo Atzinger als fescher Hipster in kornblumenblauer Krachlederner kann bekanntlich nix dafür. Verantwortung tragen Vanessa Sobel und Finn Adam – für die schönen Kostüme. Turbulente Herzschmerz-Verwicklungen nehmen ihren Lauf.
Verpeilter Kaiser
Seine Majestät, der verpeilte Kaiser, mischt auch mit. Uwe Lange glänzt mit triefäugiger Einsilbigkeit. Umso maßgeblicher agiert das Fräulein Weghalter.
Antonia-Luise Wetzlar verkündet ihr Wissen mit durchdringender Stimme und dem gewissen Etwas, das sie auch als süß lispelndes Klärchen bravourös auszuspielen weiß. Unermüdlich unterwegs ist Hotelhelfer Piccolo. Zur allgemeinen Erquickung schleppt Sonja Grenz schwere Koffer und macht müht. Platz ist reichlich. Das von Daniela Vogt ins kleinste Plastikpaprikahuhn-Detail aufwendig eingerichtete Bühnenbild zieht sich rotglühend und sonnengelb (Technik: Nicolas Horn, Jonathan Zeitz) quer durch den Saal. Gerahmt von Bergseepanorama, Hotelbalkon und Biergartengarnitur liegen sich zwei Zuschauertribünen gegenüber. Die Spielfläche bietet Bewegungsfreiheit für das lebhafte Ensemble und die von Maik Eckhardt spritzig choreografierten Tänzerinnen. In rekordverdächtiger Umkleidegeschwindigkeit sind sie coole Touristinnen, flirtende Strandnixen, verzickte Lästermäuler.
Das Publikum genießt optimale Sicht und Akustik. Letztere hat Patrick Schauermann im Griff, er dirigiert vom Hochsitz aus. Auf Nimmerkommraus pflanzt das exzellente Orchester die berühmten Walzer- und Schrammelmelodien mittels Violine, Bratsche, Cello, Bass und Drums in den Gehörgang. Evergreens wie „Im Salzkammergut …“ und „Was kann der Sigismund dafür …“ oder „Die ganze Welt ist himmelblau“ sind halt eine Welt für sich.
Ganz gleich, wer hier was mit wem macht, es erträumt oder vermasselt, der Aufenthalt „Im weißen Rössl“ ist keine Sekunde langweilig, und obendrein gibt’s ein pfeffriges Priserl Tiefgang. Warum sonst hätte das Ross auf dem Plakat eine Taucherbrille auf? Was für ein Premierenabend! Das Publikum es von den Sitzen.
Euphorisches Publikum
Nach drei Akten in knapp drei Stunden (mit halbstündiger Pause) applaudieren, rufen und pfeifen sich alle die euphorisierte Seele aus dem Leib, während die Mitwirkenden stilecht zum Defiliermarsch herausspazieren.
Die 47. Waggonhalle-Produktion geht gewiss als Geniestreich des künstlerischen Teams um Matze Schmidt in die Geschichte des überregional beliebten Kulturzentrums ein.